DSGVO – Bürokratiemonster oder Chance?

Glaubt man den aktuellen Umfrageergebnissen des Branchenverbands Bitkom, empfinden viele Unternehmen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) weiterhin als Hemmschuh. In einer Befragung vom September 2025 gaben 97 Prozent der Unternehmen an, dass die Umsetzung der DSGVO für sie mit hohem Aufwand verbunden sei. Fast drei Viertel wünschen sich daher eine Reduzierung der Dokumentations- und Berichtspflichten. Die Begründung: Bürokratieabbau und Innovationsförderung. Wäre das wirklich der Vorteil?

Ich denke nicht. Vielmehr greift dieser Ansatz zu kurz und verkennt die eigentliche Chance, die in den Dokumentationspflichten liegt. Schon die EU-Datenschutzrichtlinie 95/46/EG von 1995 verlangte, dass Unternehmen ein Verfahrensverzeichnis führen. In Deutschland konkretisierte § 4d BDSG a.F., diese Pflicht, die Unternehmen nur dann umgehen konnten, wenn ein Datenschutzbeauftragter bestellt war. Faktisch gibt es diese Dokumentationspflicht also seit fast 30 Jahren. Und noch etwas gerät oft in Vergessenheit: Vor Inkrafttreten der DSGVO hatte jede Bürgerin und jeder Bürger sogar ein Recht, Einblick in das Verfahrensverzeichnis eines Unternehmens zu verlangen. Insofern hat die DSGVO die Last eher entschärft – und nicht erhöht!

Landkarte der Datenflüsse

Warum also wird so laut über angebliche Bürokratiemonster geklagt? In der Praxis liegt es selten an der DSGVO, sondern vielmehr an fehlender Systematik und an mangelndem Know-how in Unternehmen. Dort, wo noch nie ein Verarbeitungsverzeichnis geführt wurde, wirkt der Start in die Dokumentation zunächst wie eine Mammutaufgabe. Doch der eigentliche Sinn liegt auf der Hand: Das Verzeichnis ist eine Art „Landkarte“ der Datenflüsse im Unternehmen. Es zeigt, wo personenbezogene Daten verarbeitet werden, wohin sie fließen, auf welcher Rechtsgrundlage dies geschieht und welche technischen und organisatorischen Maßnahmen greifen.

Effizienzsteigerung durch Transparenz

Der Mehrwert für Unternehmen ist enorm: Verantwortlichkeiten werden klar, Redundanzen lassen sich vermeiden, Workflows werden effizienter. Kurz gesagt: Ordnung spart Zeit und Kosten – und erhöht zugleich die IT-Sicherheit. Ich habe viele Jahre in der Büroorganisation gearbeitet und weiß: „Ordnung ist das halbe Leben“ ist nicht nur ein Spruch für den heimischen Kleiderschrank, sondern auch eine Überlebensstrategie für Unternehmen. Mit klaren Strukturen gewinnen Unternehmen Zeit für ihre Kernaufgaben, für Innovation und für Kundenservice.

Ohne Dokumentation ist Chaos vorprogrammiert

Gerade kleine und mittlere Unternehmen profitieren davon besonders. Wenn nun aber ernsthaft diskutiert wird, die Pflicht zur Führung von Verarbeitungsverzeichnissen nur noch für Unternehmen ab 750 Beschäftigten gelten zu lassen, bedeutet das nichts anderes, als die Mehrheit der deutschen Wirtschaft von einem zentralen Steuerungsinstrument zu entlasten – und damit ins Chaos zu schicken. Der deutsche Mittelstand, das Rückgrat unserer Wirtschaft, hätte dann formal weniger Pflichten, aber auch weniger Überblick und Schutz. Gleichzeitig fehlt es in vielen KMU an eigenem Datenschutz- und IT-Know-how, die Verpflichtung zur Einhaltung der DSGVO-Vorschriften bliebe aber bestehen. Für Cyberkriminelle, Datenverlust und intransparente Prozesse wäre das ein gefundenes Fressen.

Bitkom Vorschlag als Digitalisierungs-Hemmschuh

Darum ist klar: Der Verzicht auf die DSGVO-Dokumentationspflichten wäre nicht nur ein massiver Rückschritt, sondern würde auch jede ernsthafte Digitalisierung torpedieren. Digitalisierung funktioniert nur mit Transparenz, klaren Verantwortlichkeiten und geordneten Prozessen. Genau dafür liefert die DSGVO bereits seit Jahren die Gebrauchsanleitung. Wer sie ernst nimmt, spart sich am Ende viel Ärger und legt die Basis für eine sichere, zukunftsfähige digitale Wirtschaft.

Autor: Daniela Maria Hübsch